Die US-Regierung stellt Millionen bereit, um Tausende von Textilarbeitern in einigen mittelamerikanischen Nachbarländern auszubilden. Dies geschieht mit Hilfe des in Gent ansässigen Scale-up-Unternehmens Manual.to.
Ursprünglich wollte Jorim Rademaker eine Plattform zum Digitalisieren von Bilderbüchern entwickeln.
„Ich bin der Sohn eines Erfinders und einer Kunstlehrerin“, sagt der Genter Unternehmer. „Das prägt mich beruflich als Softwareentwickler, aber auch privat als Illustrator und Liebhaber von Kinderbüchern. Die Idee war, diese beiden Leidenschaften zu vereinen und eine Plattform zu schaffen, auf der meine Kinder selbst visuelle Geschichten hochladen und teilen können.“
Doch schnell zeigte sich, dass Rademakers Idee viel breiter einsetzbar war. Wenn kleine Kinder problemlos Schritt für Schritt Bilder und Texte hochladen können, warum sollte das nicht auch bei Erwachsenen mit komplexeren Arbeitsabläufen funktionieren? So entstand Manual.to – eine Plattform zur organischen Digitalisierung von Benutzeranleitungen.
„Wer nutzt heute noch gerne ein Papierhandbuch oder eine PDF-Datei?“ fragt Rademaker.
„Wenn ich diese Frage in einem Raum mit 300 Personen stelle, gehen maximal fünf Hände nach oben. Aber wenn ich frage, wer schon einmal mit YouTube etwas repariert hat, melden sich fast alle. Das zeigt, wie Menschen lernen wollen – auch im Arbeitsumfeld. Wir ermöglichen es, das praktische Wissen eines Unternehmens digital und auf eine Art zu übertragen, die tatsächlich genutzt wird.“
Konkret hat Manual.to eine Plattform gebaut, auf der digitale Schritt-für-Schritt-Anleitungen blitzschnell mit Videos und Fotos erstellt werden können.
„Stellen Sie sich vor, Sie wissen als erfahrener Mitarbeiter ganz genau, wie man den Filter einer komplexen Industriemaschine wechselt“, erklärt Rademaker.
„Mit einem Smartphone oder Tablet dokumentieren Sie alle Schritte so, als würden Sie es einem Praktikanten erklären. Danach speichern Sie alles – und unsere Software generiert einen QR-Code, den Sie an oder neben die Maschine kleben. Jeder, der dieselbe Arbeit machen muss, kann auf das Wissen des Experten zurückgreifen – sogar lange nach dessen Pensionierung.“
Rademaker nennt das „Instant Know-how“. Aufgaben, die bisher nur ein oder zwei erfahrene Techniker ausführen konnten, können nun mit einer guten, benutzerfreundlichen Anleitung von 80 % der Mitarbeiter erledigt werden. Das mache einen echten Unterschied, berichten Kunden.
„Ein Kunde sagte uns kürzlich, dass die Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters früher vier Monate gedauert hat – jetzt sind es nur noch zwei Wochen.“
Die Lösung von Manual.to wird inzwischen von zahlreichen Unternehmen und Organisationen genutzt, darunter große Namen wie Microsoft, der britische Gesundheitsdienst NHS, Umicore, ABB, DuPont, Recticel, ArcelorMittal, CEVA Logistics oder BekaertDeslee, ein weltweit tätiger Hersteller von Matratzenstoffen.
„Letzterer hat 19 Werke weltweit, in denen oft dieselben Maschinen stehen“, sagt Rademaker.
„Früher blieb das Wissen lokal – es war weder visuell noch übersetzt. Mit unserer Technologie lassen sich Best Practices ganz einfach im ganzen Unternehmen teilen.“
Mit der US-Regierung hat das Genter Scale-up nun einen weiteren prestigeträchtigen Kunden gewonnen. In den kommenden Jahren wird die Plattform tausende Arbeitskräfte in Mittelamerika für den wachsenden Textilsektor der Region ausbilden.
Die US-Entwicklungsbehörde USAID stellt 2 Millionen US-Dollar für das Projekt mit dem Namen Hilando Oportunidades bereit.
Ziel ist es, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen – und Migration aus der Region proaktiv zu verhindern.
In der ersten Phase werden 1.500 Personen in Honduras, Guatemala und El Salvador mit Hilfe von Manual.to geschult.
Die nötigen Inhalte werden von der amerikanischen Universität NCSU aufbereitet, mit der Manual.to bereits länger zusammenarbeitet – in Form einfacher, digitaler Anleitungen.
Das Projekt ist ein zusätzlicher Meilenstein für Manual.to, das ein starkes Wachstum verzeichnet. In den vergangenen Jahren hat sich der Umsatz jährlich verdoppelt, was dem Unternehmen zwei Jahre in Folge einen Platz in der Deloitte Fast 50 einbrachte – dem Ranking der am schnellsten wachsenden Unternehmen in Belgien.
Für dieses Jahr strebt Manual.to einen Umsatz von 3 Millionen Euro an.
Dieses Wachstum ist bisher vollständig organisch erfolgt.
„Wir machen bislang kaum Marketing und haben nur sehr wenig externes Kapital aufgenommen“, sagt Rademaker.
„Gleichzeitig sind wir seit Jahren profitabel – eine seltene Kombination in unserer Branche.“
Dennoch denkt Rademaker über eine größere Finanzierungsrunde nach – um das volle Marktpotenzial auszuschöpfen.
Externes Kapital soll auch dabei helfen, seinem großen Traum näherzukommen:
„Ich will das wirkungsvollste Unternehmen der Welt aufbauen. Unser Ziel ist es, das Leben von 1 Milliarde Menschen zu verbessern. Ist das nicht großartig? Wir glauben fest daran, dass das möglich ist. Was wir entwickeln, ist im Grunde eine Mischung aus YouTube und Wikipedia – oder ein TikTok für Schulungen. Und dafür gibt es einen riesigen Markt.“
Wird Manual.to bald Weltmeister im Unternehmertum? Möglich wäre es.
Beim nationalen Vorentscheid des Entrepreneurship World Cup wurde das Genter Wachstumsunternehmen als belgischer Vertreter ausgewählt.
Das internationale Finale findet Ende dieses Jahres in Saudi-Arabien statt.
Die belgischen Vorentscheide wurden von Voka, dem wallonischen Unternehmensverband UWE und dem Global Entrepreneurship Network organisiert.
Dem Sieger winkt ein Preisgeld von 1 Million Dollar.
Doch noch wichtiger ist der Wettbewerb als globales Schaufenster für potenzielle Kunden und Investoren – sowie als internationale Networking-Plattform, die jungen Unternehmen Wachstumsmöglichkeiten eröffnet.
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